Architekt Ferdinand Bernhard

Zwischen der durchaus ansehnlichen Alltagsarchitektur der Winninger Gassen und den älteren historischen Gebäuden vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert fällt die Handschrift des Winninger Architekten Ferdinand Ludwig Bernhard an vielen Stellen ins Auge. Die Bernhard´ sche Architektur steht für eine ganze Zeit, vielleicht gar für einen Stil, ganz sicher für eine grundsätzliche Auffassung von Architekturqualität. 

Außer an den bekannteren Häusern kann dies an vielen Details und Umbauten abgelesen werden. Es ist selten, dass ein Architekt in einem einzigen Ort so präsent ist – zumal mit Objekten auf hohem Niveau. Winningen ist geradezu eine Ausstellung Bernhard´scher Architektur.

1873 als Sohn des Maurer- und Baumeisters Wilhelm Bernhard in St. Goar geboren, hat er 1901 als freier Architekt BDA bis1945 ein eigenes Büro geführt.

Schon sehr früh hatte er interessante Aufträge in Winningen und in der Region. Als Bau-Experte für Weinkeller war er auch zusammen mit seinem Bruder Gottlieb, Architekt und Bauunternehmer in St. Goar, für den königlich serbischen Hof in Belgrad tätig. Ferdinand Bernhard war aber nicht nur ein begnadeter Architekt, sondern – in dem von der Ehefrau eingebrachten Weingut – auch ein anerkannter Weinbauer und -kaufmann, der mit eigenen Flaschenweinen Kunden in ganz Deutschland belieferte, dies bis zur Ernte 1961. „Architekt und Weinbauer“ stand auf seinem Winninger Grabstein. Am Gemeindeleben er von vorn herein aktiv beteiligt, so als Gemeinderat bis zum ersten Weltkrieg; 1901 war er an der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Winningen beteiligt und leitete sie bis 1913.

Sein eigenes Haus, Architekten- und Winzerhaus zugleich, steht in der unteren Fährstraße. Jeder kennt es, denn es ist hinter der Gartenmauer am „Moselufer* nicht zu übersehen. Es ist heute das Haus mit der Gutsschänke im seitlichen Altbau. 1901 gebaut, gehört es zu seinen ersten Bauten in Winningen.

Dafür ist es nicht nur üppig, sondern zugleich architektonisch anspruchsvoll, stilbestimmend für die nächste Dekade seiner Architektur. Voll im Trend, lässt es sich mit ähnlichen Häuser an Rhein und Mosel vergleichen: Sandstein, Putz, Fachwerk, Erker- Vorsprünge, Loggia-Balus-traden und Dachformen werden zur Gestaltung herangezogen und zu einer Gesamtform verschmolzen. Und weil er ein leidenschaftlicher Architekt war, brauchte er die tragende Säule, die eine, auf der Westseite.

Von den zahlreichen Projekten des Architekten können hier nur wenige vorgestellt werden. Die meisten Planunterlagen sind (bisher) abhanden gekommen, eine Mappe mit Zeichnungen und Skizzen fand sich auf dem Speicher des früheren Bernhardschen Hauses. Zumindest diese Sammlung wurde von Architekturstudenten identifiziert und katalogisiert. Man ist verwundert, welche Bauten dazugehören, zum Beispiel die eigentlich sehr schöne alte Turnhalle in der Neustraße, Baujahr 190139 (sie wurde nach dem Verkauf der ersten Turnhalle am Ausgang der Fährstraße gebaut, 1910 um den zweigeschossigen Teil erweitert und dient bis heute als „Turnerheim“. 1902/03, während der Umbauarbeiten an der Kirche, wurde sie auch als Notkirche genutzt, 1918 bis 1920 als Ausweichquartier für den Kindergarten, 1940-1945 als Kriegsgefangenenlager), das Gasthaus „Rebstock“ in der Marktstraße und viele andere. 

Nicht zuletzt wird auf das Ehrenmal für die Gefallenen der Gemeinde Winningen hingewiesen. Es steht bis heute an zentraler Stelle auf dem Friedhof und wurde später um die Namen der Gefallenen des 2. Weltkriegs ergänzt.

Zweifellos sind seine frühen Bauten zugleich die stärksten. Sie spiegeln sowohl die Eigenständigkeit des Architekten wie die Eingebundenheit in die Strömungen der Zeit.

Bernhard war erst 28 Jahre alt, als er 1901 das neue Amtsrathaus, das heutige Rathaus der Gemeinde Winningen, bauen durfte. Das „Amt Winningen“, war aus der „Mairie“ der Zeit Napoleons entstanden. Dieses imponierende Gebäude lässt sich durchaus mit ähnlichen und zeitgenössischen Rathäusern aufstrebender Gemeinden vergleichen. Das Erdgeschoss enthielt die Amts- und Sitzungsräume, heute Büro des Winninger Ortsbürgermeisters und des Fremdenverkehrsamtes. Im Obergeschoss lag die repräsentative Wohnung des damaligen Amtsbürgermeisters; mit dem großzügigen Zuschnitt der ehemaligen Wohnräume und dem charakteristischen Erker ist sie auch für die heutige Nutzung bestens geeignet. Hier finden inzwischen Kunstausstellungen, Sitzungen und kleinere Veranstaltungen statt. Dass auch das Rathaus einen Weinkeller besitzt, versteht sich in Winningen eigentlich von selbst. Unmittelbar neben dem neuen Rathaus baute Bernhard dann ein weiteres Gebäude in eigener Regie, um es danach der Reichspost zu vermieten.

QuelleAuszüge aus: Peter Lammert – Städtebauliche Entwicklung und architektonische Merkmale. Winningen – Beiträge zur Ortsgeschichte

Architekt Bernhard
Winninger Rathaus
Wohnhaus an Gutsschänke Schaaf
Kleine Villa Röttgenweg
Denkmal auf dem Friedhof