Die ersten "Winninger"

Durchwandert man die Gemarkung so wird der Eindruck von der malerischen Landschaft des Moselkerbtales mit seinen von Weinbergen bestandenen Hängen geprägt. Man bekommt das Gefühl, dass die Mosel schon immer mit ihren sanften Wogen die Talniederung durchfloss und die hier lebenden Menschen stets die Nähe des Flusses als Verkehrsweg und als Nahrungsquelle suchten. Seit der frühesten Zeit der Anwesenheit des Menschen in der Moselmündungsregion wurde der Raum um Winningen bis heute fast kontinuierlich als Aufenthaltsort genutzt. 

Die vorgeschichtlichen Funde aus dieser 666 ha messenden Gemarkung setzten in der Zeit der frühesten Menschheitsgeschichte in Rheinland-Pfalz ein. Die anzusprechenden Steingeräte datieren in den Abschnitt der Altsteinzeit und beweisen, dass schon der homo erectus (aufgerichteter Mensch) hier vor Ort anwesend war.

Schon damals war die Gewässernähe wichtig, jedoch sah die Landschaft in diesen Zeiten noch gänzlich anders aus. Die Mosel hatte etwa vor 900.000 Jahren begonnen sich in das entstehende Rheinische Grundgebirge einzuschneiden und das heute existierende Kerbtal zu prägen. 

Die bekannten Fundstellen der Objekte aus der Zeit vor mehr als 700.000 Jahren liegen in mehreren Konzentrationen um den Flugplatz von Winningen und in dem Bereich zwischen der Landeplatzrollbahn und der Gemarkungsgrenze zu Bisholder etwa 130 m oberhalb des jetzigen Flusslaufes auf der jüngeren Hauptterrasse.

Auf dieser plateauartig ausgeprägten Fläche nordwestlich der damals kaum eingeschnittenen Mosel entdeckte man die Geräte der Frühmenschen in den Flussschottern des Moselurstromes, die bei der Erweiterung des Flugplatzgeländes angeschnittenen worden waren. Hierdurch besteht an der zeitlichen Zuweisung der Fundstücke kein Zweifel. 

Hauptsächlich fanden sich seit 1980/81 einseitig zugerichtete grobe Hackwerkzeuge und Abschläge aus Quarzit bzw. Quarz. Diese Gerätformen mit ihren intentionell zugeschlagenen scharfen Arbeitskanten wurden zu Spalt- und Schneidearbeiten verwendet und gehören zum typischen Bestand früher altstein-zeitlicher Fundgruppen. Unter den geborgenen Objekten sind zwei große typologisch altertümliche Faustkeile besonders eindrucksvoll, die aus großen, ovalen Flussgeröllen hergestellt wurden. Ein Faustkeil wurde im Jahr 2002 bei einer Geländebegehung entdeckt. Er ist 15 cm lang und besitzt an den Rändern mit wenigen Schlägen herauspräparierte Arbeitskanten. Die flache Seite zeigt noch die Spaltstruktur des ursprünglichen Abschlages, aus dem das Gerät dann präpariert wurde. 

Solche Stücke entstanden in der Frühzeit der Entwicklung dieser Geräte und sind der Faustkeilkultur des Acheuléen zuzuweisen. Die im Umfeld des Winninger Flugplatzes entdeckten Artefakte gehören zu den ältesten Steinwerkzeugen an Mittelrhein und Mosel überhaupt.

Sie belegen eindrucksvoll, dass hier im Uferrandbereich der Mosel einer der frühesten Rastplätze des homo erectus im nördlichen Rheinland-Pfalz bestanden hat. 

Im Herbst 2005 wurden in der Gemarkung von Winningen systematische Geländebegehungen durchgeführt, die das bereits bestehende Bild über die archäologischen Fundstellen noch verdichteten. Durch diese von der in Koblenz ansässigen Archäologischen Denkmalpflege ausgehenden Aktivitäten und durch die Fundmeldungen interessierter Bürger können wir von 52 Fundstellen unterschiedlichster zeitlicher Stellung und siedlungsgeschichtlicher Bedeutung ausgehen.

Quelle – Auszüge -: Lutz Grunewald, Winningen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit – Beiträge zur Ortsgeschichte. Die gesamte Chronik der Gemeinde ist 2007 im Krumme-Verlag, Winningen, erschienen und kann über die Gemeindeverwaltung bezogen werden.

Winningen gilt in der Altsteinzeitforschung als einer der wichtigsten Fundplätze in Europa.

Zu vermuten ist, dass auch der Neandertaler (um 160.000 v. Chr.) hier umherstreifte. Eine Schädelkalotte wurde rund 9 Kilometer entfernt in Ochtendung gefunden. Vertreten sind Funde aus der Jungsteinzeit, der sogenannten Urnenfelder Kultur, aus der römischen Kaiserzeit und des Frühmittelalters. Kurz: Die Landschaft um Winningen war seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte dauerhaft besiedelt.

Auf dem Titelfoto ist der „Winninger Faustkeil“ zu sehen, präsentiert von Dr.Dr. Axel von Berg, Landesarchäologe

 

Landesarchäologe Dr. Dr. Axel von Berg mit dem "Winninger Faustkeil". Foto: Lammai
Industriegebiet mit Flugplatz. Archäologische Schutzzone. Foto: Lammai
Ausgrabung einer bronzezeitlichen Wohngrube im Gewerbegebiet. Foto: Lammai
Fundstellen der Altsteinzeit in Winningen (Quelle: Beiträge zur Ortsgeschichte)
Fundstellen aus der römischen Kaiserzeit (Quelle: Beiträge zur Ortsgeschichte)
"villa rustica" an der Moseltalbrücke. Foto: Lammai
Rekonstruktion des römischen Gutshofes (1. bis 3. Jahrhundert n.Chr.). Foto: GDKE
Terra Sigillata - Scherbe mit Löwendarstellung. Foto: Lammai
Terra Sigillata-Scherbe mit Muster. Der Herstellungsort lag in den Ardennen. Foto: Lammai
Münze des Nero. Eine solche wurde nahe dem heutigen Museum gefunden. Foto: Lammai