In alter Zeit war der Kirchhof, der Platz unmittelbar um die Kirche, die Begräbnisstätte für alle verstorbenen Gemeindeglieder. Die Erbauung des ersten Winninger Gotteshauses, dessen Fundamente unter der heutigen Kirche gefunden wurden, wird ins 6. Jh. datiert. Bei verschiedenen Baumaßnahmen in unmittelbarer Nähe der Kirche traten viele, teils uralte Grabstellen zutage. Darunter waren auch solche, die, wie nach den Grabbeigaben zu schließen ist, aus der Merowingerzeit (5., 6. Jh.) stammten. Eine ummauerte Grablege aus dem 7. Jh. fand man im südlichen Seitenschiff der heutigen Kirche, einer Stelle, die unmittelbar an der ehem. Außenmauer der Urkirche lag.
Seit alters her bis in die Neuzeit hinein fanden die Winninger Bürger also direkt an der Kirche ihre letzte Ruhestätte. Angehörige der Winninger Adelsfamilien und die herrschaftlichen Vögte hat man dagegen in der Kirche selbst beigesetzt. Der Friedhof an der Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte ungezählte Male immer wieder neu belegt. Die bei der Aushebung eines alten Grabes exhumierten Gebeine führte man dann einer gemeinsamen, endgültigen Lagerstätte, dem sog. Beinhaus zu.
Nachdem im Jahre 1685 das Kirchenschiff nach Westen verlängert worden war, schränkte diese erneute Baumaßnahme des frühen 18. Jh. die Begräbnisfläche noch einmal beträchtlich ein. Doch nicht nur hierdurch, sondern vor allem durch das Anwachsen der Gemeinde – ein Umstand, der ja die jeweiligen Erweiterungsbauten der Kirche erforderlich machte – wurde es nun unumgänglich, einen anderen, zunächst zusätzlichen Begräbnisplatz einzurichten.
So wurde im Jahre 1732 ein neuer Friedhof „außerhalb des Fleckens“, wie es damals hieß, also jenseits der den Ort umgebenden Ringmauer, angelegt. Die Befestigungsanlage führte unmittelbar hinter dem Pfarrhof her. Jenseits der Mauer – bis heute noch so genannten Grabenpfädchen – eine Bezeichnung, die auf einen ehemals hier verlaufenden, der Mauer in einem Abstand von ca. 20 m vorgelagerten Graben hindeutet – lag eine zum Pfarrgut gehörende Wiese. Diese wurde nun als Friedhof eingerichtet und hierzu mit einer Mauer umgeben, die an der Westseite ein Tor besaß.
Aber nach zehn Jahren schon war dieses neue Gräberfeld belegt und man hat drei Jahre lang wieder an der Kirche beerdigt, bis durch den Ankauf von weiteren „drei Wiesenplätzen “ im Jahre 1745 der neue Friedhof vergrößert werden konnte.
Doch in einem Visitationsprotokoll von 1778 wird der erneute Platzmangel angesprochen und festgestellt, dass nach bereits zweimaliger Belegung des neuen Friedhofs nun wieder an der Kirche beerdigt worden sei, was bekanntermaßen nicht mehr zulässig wäre. Es müsse nun unbedingt eine nochmalige Vergrößerung des Gottesackers betrieben werden.
Die Situation spitzte sich durch eine erneute Pockenepidemie im Jahre 1782 zu. Der Pfarrer beklagt bitter die bei einer Wiederbelegung nach nur zehnjähriger Ruhezeit beim Auswerfen der Gräber auftretenden „hässlichen Ausdünstungen“, und dass er „das gewaltsame Zerschlagen der Särge (…) mit einer wahren Empörung der Menschlichkeit (…) mit anhören nicht umhingehen (…)“ könne. Der Amtmann erwidert, dass ihm die Lage sehr wohl bekannt sei und dass sein Vorschlag, den Friedhof auf das „gemeine Land in der Leimkaulen“ zu verlegen, was viel kostengünstiger als eine Erweiterung des jetzigen Friedhofs sein würde, von der „darüber vernommenen Gemeinde“ abgelehnt wurde, da , der allergrößte Theil derselben durchaus nicht in die Leimkaul begraben seyn …“möchte. Bevor man aber an den Ankauf eines anderen passenden Geländes oder doch an die Erweiterung des jetzigen Friedhofs herangehe, solle man an „das Stift zu Aachen“ herantreten, „das von dem beziehenden Zehenden, wie zum Kirchenbau, also auch hierzu gehalten sey „.
Aber erst nach einem weiteren Schreiben des Pfarrers vom 21. Juli 1783, in dem er „, nach der gestrigen 41. Leiche dieses Jahres* noch einmal auf die unhaltbare Situation hinweist, gelingt letztendlich die Einigung mit den Eigentümern der anliegenden Grundstücke.
Mit diesem Grundstückstausch waren die Eigentümer der restlichen „Wiesenplätze“ dann einverstanden, wobei letztendlich auch der Druck der Mitbürger, und nicht zuletzt wohl auch die Einlassung des Pfarrers eine Rolle spielte, dass dann auch , durch den neuen Eingang (an der heutigen Fährstrasse) die in dem oberen Flecken erscheinenden Leichen künftig auf den Gottesacker getragen werden“ könnten, ohne „.einen großen Umweg um die Kirche“ machen zu müssen.
So kam es im Jahre 1784 zur Erweiterung des Friedhofs, Der seit frühester Zeit genutzte Begräbnisplatz unmittelbar um die Kirche konnte nun endgültig aufgegeben werden. Das ursprüngliche Westtor des neuen Friedhofs außerhalb der Ringmauer, ist nicht mehr im Original erhalten. Über dem Pförtchen zum jetzigen Pfarrgarten in der heutigen Friedrichstrasse ist ein alter Schlussstein aus Basaldava eingemauert. Er stammt von dem dortigen ehemaligen Friedhofstor. Heute dient ein Teil des alten Friedhofs als Pfarrgarten.
Keine fünf Jahrzehnte nach der Erweiterung des Gräberfeldes bis zu Fährstrasse hin, auch dieser Friedhof wieder als zu klein erwiesen. Hinzu kamen die staatlichen Auflagen der preußischen Provinzialregierung, die zwingend die Anlage eines neuen Friedhofs außerhalb des engbebauten Ortskerns erforderten. Im Jahre 1833 wurde ein größerer, nun in kommunaler Trägerschaft stehender neuer Friedhof eingeweiht Aber schon im Jahre 1860 musste, „nachdem in knapp 27 Jahren 1263 Beerdigungen angefallen waren“, auch hier wieder mit der zweiten Belegung des Gräberfeldes begonnen werden. Wenig später befasste man sich mit einer Erweiterung, die in den Folgejahren auch realisiert werden konnte.
Der Friedhof wurde um 1960 noch einmal nach Norden hin bis zum Hohenrainweg verlängert und erhielt dort ein zusätzliches Tor. Anstelle des ehemaligen kleinen Leichenhäuschens errichtete die Gemeinde eine größere Friedhofshalle mit den erforderlichen Nebenräumen. Seitdem geht der Leichenzug nicht mehr vom Trauerhaus zum Friedhof und dann, nach Beisetzung, zur Gedenkpredigt in die Kirche. Die Beerdigungsfeier findet nun ausschließlich auf dem Friedhof statt. 2021/22 wurde der Winninger Friedhof neu gestaltet.
(Quelle: Gerhard Löwenstein, Beiträge zur Ortsgeschichte – die Geschichte des Winninger Friedhofs)