Lebenstürme in Winningen

Biologische Vielfalt bewegt wieder die Menschen. Bedauerlicher Auslöser sind die jüngsten Erkenntnisse zum Insektensterben. Dabei haben wir Menschen diese Vielfalt immer gewollt, sie wertgeschätzt und letztendlich auch gebraucht. Aber irgendwann zwischen einem zunehmenden ökonomischen Denken und dem Aufkommen virtueller Welten scheint der Kontakt zu Flora und Fauna doch abgerissen zu sein. Wer kennt Blumen und Schmetterlinge noch beim Namen? Wer weiß über die Zusammenhänge von Lebens- räumen und einzelnen Arten? Und wer hat sich das letzte Mal die Zeit genommen, ein Insekt nur für eine Minute zu beobachten?

Da hilft es auch nicht, wenn Artenschutz gesetzlich festgeschrieben ist, jede Partei ihn in ihrem Programm hervorhebt oder die Medien ihre Beiträge gerne mit schönen Bildern von Tieren und Pflanzen garnieren. 2020 geht die UN-Dekade zur Biologischen Vielfalt zu Ende. Auch die Lebendigen Moselweinberge sind zweimal als beispielhaftes Projekt ausgezeichnet worden. Doch wer hat das wirklich wahrgenommen? Biologische Vielfalt bedeutet Leben und muss gelebt werden. Sie muss wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken, mehr Aufmerksamkeit erfahren. Dazu braucht es auch „Hingucker“: zum Beispiel einen Lebensturm. Er zieht fast automatisch die Blicke auf sich, lädt zum genauen Betrachten ein und überragt sogar den Menschen. Schon beim Bau kann er zum gemeinschaftlichen Ereignis werden, Generationen verbinden und sensibilisieren. Steht er einmal, ist er ein markanter Punkt in der Landschaft oder im Dorf – für Einheimische und Gäste gleichermaßen. Letztendlich zeigt der Lebensturm aber auch einen Mangel auf: das Fehlen von Strukturen in unseren aufgeräumten Landschafts- und Siedlungsräu- men. Wichtige Lebensraumstrukturen für unsere Tierwelt der Moselregion werden uns in diesem „Muster-Lebensturm“ beispielhaft und gebündelt vor Augen geführt und regen hoffentlich zum Beobachten, Nachdenken und Nachahmen an.

Lebenstürme sind in erster Linie umweltpädagogische Projekte. Doch sie können durchaus eine positive Wirkung auf Flora und Fauna erzielen. Dazu sollten sie auf guter fachlicher Grundlage errichtet werden, damit sie später wirklich mit Leben gefüllt sind. Deshalb ist es auch unerlässlich, dass man sich vorab viele Gedanken zu seinem Lebensturm-Projekt macht. Die folgenden Hinweise sollen dabei unterstützen. Sie basieren auf zugänglichem Fachwissen, eigenen Beobachtungen und der Abstim- mung mit Spezialisten. Natürlich sollen nicht alle Lebenstürme diesem Muster

gleichen. Im Gegenteil: Auch hier ist Vielfalt wichtig, Kreativität gefragt, Auseinandersetzung mit dem Thema erforderlich und lokale Identität zu berücksichtigen und zu fördern. Zudem lernen wir immer dazu und entwickeln weiter – auch die Vielfalt von Lebenstürmen.

 

https://www.lebendige-moselweinberge.de/doc/lmw_bro_lt.pdf

Bau eines Lebensturms durch die Jungwinzer. Foto: Lammai
Zwei Schlingnattern bei der Paarung. Foto: Lammai
Taubenschwänzchen (Kolibri der Mosel). Foto: Lammai
Libelle. Foto: Lammai
Rotschwänzchen im Weinberg. Foto: Lammai
Spanische Fliege oder Russischer Bär. Foto: Lammai
Mauereidechse. Foto: Lammai
Wichtige Helfer: Die Bienen. Foto: Lammai
Lebensturm im Nebel