Wie alles begann

Ur-Ozean

Die geologische Geschichte der Felsen, die sich heute so imposant über die Mosel erheben und denen die Rieslingweine ihren einzigartigen Charakter verdanken, beginnt im Zeitalter des Devon. Vor 400 Millionen Jahren, also noch 150 Millionen Jahre vor dem Zeitalter der Dinosaurier, lag unser heutiges Europa innerhalb der tropischen Klimazone im Bereich des 25. Längengrads südlich des Äquators. Das eigentliche Leben dieser Zeit spielte sich im Meer ab, auf dem Land lebten nur insektenartige Wesen und erst ganz langsam begannen Pflanzen das Land zu erobern. Die im Uhlen heute schräg aufgerichteten Schieferformationen waren der Boden eines tropischen, nun lang vergangenen Meers. Aber nicht nur der Uhlen, das gesamte Rheinische Schiefergebirge ist aus diesem Meer entstanden, das sich seinerzeit so weit nach Osten und Westen erstreckte, dass wir seine Ablagerungen heute von Polen bis Portugal nachweisen können.

Jedes Meer hat eine Küste. »Unsere« Küste lag im Norden, etwa auf der Linie Aachen-Köln. Von hier aus erstreckte sich nach Norden ein Kontinent, der aufgrund seiner roten Gesteine dem Geologen als »Old-Red« bekannt ist, der »alte rote Kontinent«. In dieser gebirgigen Landschaft herrschten vorwiegend wüstenartige Bedingungen. Die Berge hoben sich durch tektonische Kräfte und wurden im Laufe der Jahrmillionen durch Wind und Wetter abgetragen. Es existierte ein großes Flusssystem, das Sand und Schlamm des verwitternden Kontinents über ein riesiges Delta, vergleichbar dem heutigen Nil-Delta, in unser Meer, den sogenannten »Rheinischen Trog« schüttete. Dieser senkte sich über die Jahrmillionen immer weiter ab und nahm einen Sedimentstapel auf, der bis zu 14 Kilometer mächtig ist. Die Südgrenze des Rheinischen Troges bildete ein vulkanischer Inselbogen, die »Mitteldeutsche Schwelle«. Sie liegt südlich vom heutigen Hunsrück und Taunus, ist allerdings nicht mehr sichtbar, da sie unter den weitaus jüngeren Schichten des Saar-Nahe-Gebietes und des Mainzer Beckens begraben liegt.

Von den mächtigen Sedimenten sind am Uhlen gerade mal 750 m »aufgeschlossen«, wie der Geologe sagt, d.h. für den Beobachter zugänglich. Eingebracht in die geologische Zeitordnung gehören sie in das System Devon, und hier in die Serie Unterdevon. Das Unterdevon begann vor ca. 410.000.000 Jahren und endete vor 392.000.000 Jahren. Die Zeit kurz vor Ende des Unterdevon wird das Emsium genannt. In dieser Zeit wurden im Rheinischen Trog diejenigen Sedimente abgelagert, die, zu festem Stein geworden, heute aus der Mosel aufragen….

Mit Hilfe von Fossilien lässt sich das Emsium weiter unterteilen. Auch der Werdegang des Meeres bzw. des Ablagerungsraumes lässt sich heute relativ genau rekonstruieren. Untenstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die einzelnen Sedimente auf der Zeitschiene. Durch die Kontinentaldrift war die Erdkruste ständig im Wandel und in Bewegung. Im Karbon vor ca. 325.000.000 Jahren, kollidierten schließlich zwei große Kontinentalplatten. Aus Laurussia, dem »Old-Red-Kontinent« und dem südlichen Gondwana bildete · sich der Super kontinent Pangea. Die beiden Küsten„nseres“ Meeres wurden dabei zusammengepresst, so dass ein breiter Falten- und Überschiebungsgürtel entstand. Durch die gewaltigen Drucke wurde aus den Meeressedimenten der Fels des Rheinischen Schiefergebirges „geschiefert“. Dabei wurden die einst horizontal auf dem Meeresboden abgelagerten Kieselgallen-Schiefer Schichten teilweise völlig aus ihrer Unterstufe ursprünglichen Lage herausgedreht. Im Bereich des Uhlen verzeichnen wir eine quasi „über Kopf“- Rotation von 135° in Richtung Süd-Osten. Bei den so schräg anstehenden Schiefern liegen daher heute die älteren Schichten oben auf. Im Laufe der Jahrmillionen wurde das Rheinische Schiefergebirge gehoben und zum Teil auch wieder abgetragen, so wie es einst dem Old-Red geschehen war. Vor 800.000 Jahren begannen schließlich die Flüsse Rhein und Mosel sich in ihre heutigen Täler einzuschneiden. In diese Zeit datiert auch der Beginn des Eifel-Vulkanismus, der erst vor 13.000 Jahren mit einer gewaltigen Eruption des Laacher-See- Vulkans zum erliegen kam. Im Bereich der heutigen Weinbergslage Uhlen ist die gesamte Schichtenfolge von den Rittersturz-Schichten bis zu den Flaserschiefern durchgehend erhalten. Wandert man den Weinberg entlang, so fasziniert der Wechsel der Gesteine von harten, rötlichen Quarziten am Belltal über fossilhaltige, graue Steine zu weichen, dunkleren Tonschiefern kurz vor der Autobahnbrücke. Die mikroklimatischen Verhältnisse in den verschiedenen Bereichen des Uhlen sind relativ gleich. 

Der terrassierte Steilhang bildet ein gigantisches Amphitheater mit einer Hangausrichtung von Süd-Westen nach Süd-Osten. Abgesehen von einer kleinen Störung im Bereich der Mündung des Belltals sind die Weinberge von herab fallenden kalten Winden durch einen Waldgürtel geschützt, der durch seine Pufferwirkung auch eine wichtige Funktion für die Wasserversorgung innehat. Die hohen Weinbergsmauern und die bodenbedeckende Schotterschicht, der Kummer, schützen optimal vor Erosion. Sie sorgen auf der anderen Seite durch ihre Fähigkeit, die tagsüber akkumulierte Sonnenenergie in der Nacht wieder langsam abzugeben, für extrem hohe Temperaturen in Boden und Pflanzen. Die so entstehenden „heißen“ Böden bewirken einen früheren Austrieb der Reben mit einer entsprechend längeren Vegetationsperiode, die eine optimale physiologische Reife der Trauben ermöglicht. Wissenschaftliche

Untersuchungen bescheinigen denn auch dem Uhlen die höchste Assimilationsleistung der gesamten Mosel. Die knapp 600 mm an Niederschlägen – davon ca. 250 mm während der Vegetationsperiode – sind ein guter Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Rebe nach optimalen Wachstumsbedingungen und dem Wunsch der Weinliebhaber nach einem expressiven Terroirgeschmack. Denn nur wenn die Pflanze auf der Suche nach Wasser gezwungen ist, tief in den Schiefer zu wurzeln, wird aus den Felspalten ausreichend „Terroir“ in die Trauben transportiert. Daher ist auch der Winzer ein wesentliches Element dieses Systems: Er muss dafür Sorge tragen, dass sich die Reben aus den Schiefern und nicht aus zugegebenen Düngern ernähren. Und durch seine Antwort auf die Fragen nach Art, Erziehung und Alter der Reben, nach der Anzahl der Rebstöcke pro Flächeneinheit, der Erntemenge und schließlich der Vinifikation entscheidet es sich, ob die Rieslinge aus dem Uhlen letztendlich dazu in der Lage sind, das faszinierende Geschmackspektrum der 400 Millionen Jahre alten Meeresböden für unsere Sinne erfahrbar zu machen.

Auszug aus „Erste Lage Uhlen“ – von der Geologie zum Terroir von Dr. Ralf Kröll und Reinhard Löwenstein, VDP-Weingut Heymann-Löwenstein (www.heymann-loewenstein.com)

Panoramaaufnahme Uhlen im Winter. Foto: Lammai
Tafelkoralle mit Schmarotzerwurm. Foto: Lammai
Kalkablagerungen von Meerestieren
Schieferformation